fluID - arena of identities: June 2003, Graz/ A

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 Spie(ge)l  Mathias Fuchs

"Jetzt bin ich tot!" ist offensichtlich ein Satz, der den Regeln klassischer Logik widerspricht. Entweder man ist tot, oder man spricht über den Tod. Beides zugleich - darauf wies bereits Epikur hin - ist Unsinn. Game-Addicts, also Vollblutspieler mit Suchterscheinungen, können zumeist nicht zwischen sich und der Repräsentation ihrer Spielerfiguren am Bildschirm unterscheiden. In der Folge können sie auch nicht zwischen Leben und Tod unterscheiden. Game-Freaks können die Behauptung, daß sie im Moment der Äußerung des Satzes tot seien, aussprechen, ohne daß ihnen oder ihren Mitspielern irgendetwas daran seltsam vorkommt. Das ist nicht auf mangelndes Sprachgefühl zurückzuführen, auch nicht auf fehlende Logik sondern auf eine hochgradig nützliche Form der Identitätserweiterung. Dem Spieler gerinnt die biologische Person und die elektronische Simulation der aktiven Person in eins. Nützlich ist diese Konstruktion deshalb, weil sie die Intensität des Spielerlebnisses erhöht, nützlich ist sie auch, weil sie es erlaubt, tot und lebendig zugleich zu sein. Im Hinblick auf ein klassisches Verständnis von Identität ist diese Identitätserweiterung allerdings problematisch.

Spätestens Descartes' Versuch die Dinge "clare et distincte" zu sehen, läßt Gewißheit aus Identität entstehen. Descartes' Gedankenexperiment, sinnliche Erfahrung als die Täuschungen eines Wesens, das mir nur als "Ich" vorgegaukelt wird, zu begreifen, gelangt zu seiner Auflösung in dem Moment, als Descartes sich selbst als einen Denkenden konstruiert. Erst durch diese Konstruktion kann sich Descartes der Zweifel entledigen, daß er von einem Gott getäuscht wird. Damit eliminiert Descartes denkbare Mittler (Medien) zwischen sich und der Welt und schafft die Basis für die Kontinuität eines persönlichen "Ich", das jede Person besitzt und das jeder Person Verantwortung für ihre Taten und Gedanken zuteilt. Erst durch Descartes' Trick sind eine Ethik und ein Rechtssystem vorstellbar, die an individuelle Personen gebunden sind. Klare Identitätsrichtlinien sind allerdings der Preis für jene Rechte, die die Schizophrenen, die Träumer, die geistig Schwachen, die Spieler, Gaukler und die Wankelmütigen ausschließt. Die einen besitzen zuviel an Identität, die anderen zuwenig. In diesem Falle ein Luxus - in jenem ein Manko. So oder so aber eine Anomalie, die das Konzept der Eins-Identität stört. Die Nicht-Identischen bedrohen die aufgeklärt vernünftige, nachkartesische Welt und die Spieler: Das Spiel stellt sich dem Konzept der Identität als gefährliche Herausforderung. Im Spiel verschwimmen die Grenzen der Person zu ihrer Umwelt. Im Spiel verschwimmen auch Rollen, Geschichte, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Geographie. Das beginnt bei "Indianer und Cowboys" und endet bei UnrealTournament, Quake oder Final Fantasy.

Bombenfeste Identität

Es scheint geradezu so zu sein, daß Spielen im Vollbesitz einer bombenfesten Identitätsverankerung unmöglich wird. Der Spielverderber ist eben derjenige, der wenig phantasievoll behauptet: "Du bist doch gar kein Indianer!" (Was in den meisten Fällen stimmt.) Oder der Mitspieler, der feststellt: "Du bist doch gar nicht tot!"
Natürlich ist der Spieler tot im Sinne einer elektro-biologischen Personalunion, die sich durch den Akt des Spielens konstituiert. Der Spielverlauf, insbesondere auch die Erzählung des Spieles, wird daher zur Quelle des Konstruktionsprozesses einer erweiterten Identität, die nicht als Akt des Bewußtseins, sondern als Resultat eines Game Set-Ups verstanden werden muß. Richard Rorty bezeichnet das vermittelnde Instrumentarium, das aus einem Abbild der Realität mentale Repräsentationen erzeugt, als ein Vokabular. Im "Spiegel der Natur" und in der Folge dann in "Kontingenz, Ironie und Solidarität" versucht Rorty die Erzählung im Gegensatz zur Erklärung zu rehabilitieren, und behauptet: "Das neue Vokabular macht die Formulierung des Zweckes erst möglich. Es ist Werkzeug für eine Arbeit, die man sich vor der Entwicklung eins besonderen Sortiments von Beschreibungen nicht hätte vorstellen können, von Beschreibungen, die es selbst mit herstellen hilft." Rorty zieht daraus den Schluß, daß man jemanden, der auf der Grundlage eines anderen Vokabulars argumentiert, mit Gründen nicht überzeugen kann. Man könne ihn höchstens zur Übernahme des eigenen Vokabulars überreden. Wie Rüdiger Zill in "Gebrochene Strahlen, zersplitterte Spiegel" richtig behauptet, kann diese Überredungsarbeit keine Aufgabe der Philosophie sein. Zill hält "andere Instanzen (...) Literatur, Kino, Fernsehen" für zuständig dafür. Aus verschiedenen Gründen sollte man die Computerspiele zu der Liste der Überredungsmaschinen hinzufügen. Einer der Gründe ist die hohe Popularität von Computerspielen in der gegenwärtigen Unterhaltungsindustrie. Ein anderer Grund ist der, daß Computerspiele sich als eine Leittechnologie zu entpuppen scheinen, der die zuletzt dominanten Sektoren Film und Musik nun folgen müssen. Schließlich sind die Computerspiele noch - aber nicht mehr lange - eine Technologie, die von den Jugendlichen als erste Technologie aufgegriffen wird und vor denTechnologien der Über-20-Jährigen angenommen wird. Der Überredungscharakter der Spielerzählungen kann als derjenige Faktor verstanden werden, der mentale Repräsentationen zu konstruieren hilft. Man kann Rorty als einem Text-Autor nicht übelnehmen, daß seine Terminologie stets sprachliche Mechanismen ins Auge faßt, es erscheint mir jedoch im Hinblick auf Computerspiele eher zielführend zu sein, die am stärksten suggestiven Spielelemente anzuvisieren: Die Texture- und Soundlibraries, die Effekte, das Gameplay. Ersetzen wir also das Rortysche "Vokabular" durch die Texturen-Bibliothek, das "Sprachliche" durch das Audiovisuelle und die "Erzählung" durch die Story.

Gibt es visuelle Elemente, die Games von Filmen oder dem Fernsehen unterscheiden, und die gleichzeitig als Katalysatoren neuer Bewußtseinsformen wirksam sein können?
Ich möchte den Vorschlag unterbreiten, den Spiel-Spiegel als ein Element zu untersuchen, das identitätsdekonstruierend wirksam sein könnte. Selbstverständlich spielen Spiegel auch in der Filmgeschichte eine wichtige Rolle, doch bleibt der Spiegel im Film stets im Medium und lenkt den Blick nicht auf den Filmbetrachter um. Computerspiele sind innovativ insofern als der Blickwinkel des Betrachters nicht notwendigerweise vom Medium vordefiniert sein muß. Ein Spiel-Spiegel ist kein Film-Spiegel.

In den frühen Computerspielen findet man sich an eine Third-Person-View (Pacman, Super Mario) oder First-Person-View (Doom) gebunden. Neuere Spiele erlauben hingegen die Wahl einer der beiden Darstellungsarten. Spieler berichten, daß sie sich in Third-Person-Shootern stärker mit der Spielerfigur identifiziern können. Der Blick aus den Augen der Spielerfigur überredet meinen Bewußtseinsapparat zu einem Identifikationsgrad und einer Identitätsintensität, die sich von denen eines Blickes unterscheidet, der gottgleich von oben über das Spiele-Terrain blickt. Ich behaupte, daß die Installation von rückgekoppelten Blicken, wie sie Spiegel und Closed-Circuit Kameras im Spiel erreichen können, eine nochmalige Komplexitätssteigerung bewirken kann. Wichtige Schritte in dieser Richtung wurden bereits durch die Videokunst und frühe Computerkunst eingeführt. Ich werde später zu beweisen versuche, daß die Videokunst allerdings an Grenzen stoßen mußte, die die Computerspiele nunmehr zu überschreiten vermögen.

Selbst-Zelebration

Computerarbeiten wie die Rückkopplungs-Setups von Myron Krueger zeigten den Betrachter im Monitor und fügten reaktive Instanzen hinzu. Arbeiten wie diese charakterisierte, was Mario Perniola im Hinblick auf die Videokunst als "Selbst-Zelebration" bezeichnete. Computer- und Videokunst wollten nicht Fernsehen sein und grenzten sich von diesem durch eine andere Geometrie des Blickes ab. Anstatt in die Ferne zu schweifen, sollte das Naheliegende und das Unsichtbare sichtbar gemacht werden: befreit von Idealisierung, verlogener Authentizität und platter Referenz auf das vermeintlich Faktische. Video- und Computerkunst waren im Hinblick auf die soziale Utopie einer egalitären, unmittelbaren Kommunikation gedacht, die immer das Moment der Rückkopplung und des kritischen Blicks in den Spiegel beeinhaltete. Perniola nannte die Videokultur eine Kultur des Spiegels und in Abwandlung einer bekannten McLuhanschen Formulierung könnte man die Medienarbeiten der damaligen Zeit daher ganz gut charakterisieren, indem man behauptet: The Medium was the Mirror.

In einer Untersuchung der Funktionen interaktiver Kunstwerke gelangt der Kanadier David Rokeby am Wege über die Metaphern der Navigation und der Entdeckung schließlich ebenfalls zu der des Spiegels. Medien, die - anders als ein Glasspiegel - das ihnen Zugeworfene nichtidentisch zurückwerfen, müßten in der Terminologie David Rokebys als "transforming mirrors" bezeichnet werden. Im Unterschied zu der Sprichwortweisheit "Wie man in den Wald hineinschreit, so tönt es auch wieder heraus", verändert der transformierende Spiegel Form und Gestalt des Gespiegelten. Transformierende Spiegel findet Rockeby bei interaktiven technischen Prozessen und in interaktiver Kunst. Rockeby unterscheidet den Gebrauch des transformierenden Spiegels von dem des flachen Spiegels dadurch, daß im ersten Falle der "Interactor" seine Bewegungen nicht pur, sondern medial verzerrt, verschoben oder verdichtet wiedererkennen kann. Der aktive Rezipient erlebt sich selbst also wie das Subjekt sich während der Traumarbeit erlebt, die Medien nehmen die Rolle ein, die Freud dem Traum zuspricht. "Der Interakteur erfährt eine Wahrnehmung seiner selbst, die durch das Möglichkeitenfeld, mit dem der Künstler den Raum ausgestattet hat, transformiert ist."

Als Beispiele für transformierende Spiegel stellt Rokeby seine eigene Arbeit "Very Nervous System" vor. Im "Very Nervous System" digitalisiert eine Videokamera das Bild des Interactors, wandelt die Bildinformation in eine Grauwertmatrix und leitet die Daten daraufhin an einen Mustererkennungsalgorithmus, der in Abhängigkeit von den Bewegungen des Interactors Klänge erzeugt. Die transformierende Operation des "Spiegels" liegt im Falle dieser Installation in der Quantifizierung des Bildes, der Übersetzung in Grauwertstufen und in die mediale Translation in den Hörbereich.

Rokeby beschreibt die Aufgabe und Funktion interaktiver Kunstwerke mit den Worten: "Die interaktive Kunst bietet Spiegel an, künstliche Medien, Sichtweisen und Automaten, die es uns erlauben, Identitäten zu entwickeln, uns selbst in Beziehung zu den Werken zu setzen und in der Folge auch in Beziehung zur Welt." Während Rokeby uns in den Installationen einen - wenn auch transformierenden - Spiegel vorhalten möchte, sind andere Künstler weniger bereitwillig, uns den Spiegel als funktional effizientes Werkzeug zur Verfügung zu stellen.

Autonome Spiegel

"Tumbling Man" von Chico MacMurtrie und Rick W. Sayre stellt einen Roboter vor, der die Ellbogen- und Kniebewegunen des Interactors aufnimmt und in die labile Motorik der Maschinengliedmaße überführt. Hier spiegelt der Roboter zwar Bewegungsintentionen, versagt aber im Hinblick auf die Bewegungen. Der Roboter stolpert, versucht sich wieder aufzurichten oder verkrampft sich ohne Ende. Im Roboter kann der aktive Benutzer sich wiedererkennen, doch sein Spiegelbild bleibt verzerrt. Aus der Absicht steuernder Bewegung wird die Karikatur versagter Durchführung. Während man im alltäglichen Leben den Spiegel zur Versicherung verwenden kann, dient der mediale Spiegel, den der Roboter darstellt, im Gegenteil zur Verunsicherung. In ähnliche Richtung zielt auch Christian Möllers Installation "Autonomous Mirror" , die einprogrammierten Ungehorsam gegenüber einer Echtzeitspiegelung vorführte. Eine Zeit lang verhält die von Computer generierte Figur sich so, wie die Betrachter der Figur. Sie imitiert Arm- und Beinbewegungen, ahmt die Haltung des Betrachters nach. Doch der Algorithmus, der die Bewegungen steuert, sieht auch vor, daß die Figur die Routine der Nachahmung brechen kann und den Betrachter mit der Überraschung (scheinbar) autonomer Bewegungen überfällt. Wenn Lichtenberg bemerkte: "Ein Buch ist ein Spiegel. Wenn ein Affe hineinguckt, kann freilich kein Apostel heraussehen", so muß man für die autonomen Spiegel der interaktiven Kunst umformulieren: "Wo Affen hineingucken, können Apostel herausschauen - und umgekehrt." Interaktive Installationen zeichnen sich dadurch aus, daß sie nicht nur formal verzerren und verändern, sondern auch inhaltlich reinterpretieren und umwerten können: Aus eleganten Bewegungen können linkische Bewegungen werden, aus Ruhe Eile und aus Folgsamkeit Rebellion. Ein Künstler, der an den Verschiebungen, die robotische Ensembles generieren können, besonders interessiert ist, ist der kanadische Robotik Pionier Norman White.

Täuschungs- und Trickspiegel

Norman White's "Helpless Robot" oder die Installation "Facing Out, Laying Low" zeigen Verhaltensweisen von diktatorischer Anmaßung oder gelangweilter Verweigerung des Spiegelungsauftrages. Was das Spiegelbild in Form des Roboters dem Rezipienten zurückwirft, ist weniger ein Abbild als eine Attitude. In seiner jüngsten Arbeit "Monster" konstruiert White ein kybernetisches Objekt, das als U-Boot oder tauchende Robo-Nessie auf die Besucher des Stausees reagiert, diesen jedoch umstandsgemäß auch ausweicht oder sich vor ihnen verbirgt. Die Künstliche Intelligenz, die dieses Projekt treibt, muß als Künstliche Emotionale Intelligenz gesehen werden, die zwar versteht und dies auch kommunizieren könnte, deren Tätigkeitsziel aber eher auf der Ausarbeitung autonomer Gesten liegt.

Spiegel-Dinge

In den Computerspielen der letzten Generation begegnet uns eine Neugeburt und Rennaissance der Spiegel, der Überwachungskameras und der Zerrspiegel, die den Eindruck erweckt, als wäre die etwas fußlahm gewordene Dynamik der Spiegelkultur aus Video- und Computerinstallation im Gewand des neuen Mediums aus dem Tiefschlaf erwacht. Doch Computerspiele präsentieren uns nicht nur ein Remake, eine nostalgische Erinnerung an die Medien der 80er Jahre. Mit den scharfen Klingen der neuesten Game-Engines bewaffnet, zeigen sich Spiegel-Spiele in den neuen Computerspielen. In Max Payne, dem finnischen Kultspiel, dreht sich der Spieler selbstverliebt narzistisch stets um sich selbst, wenn er besonders hübsch springt, strauchelt oder stirbt. Die Selbstverleibtheit in den eigenen Tod zelebriert Max Payne in der Finte, sich selbst als Pistolenkugel inkarnieren zu können, die seinem zweiten Selbst, der Max Payne Figur, verhängnisvoll entgegenfliegt. Wie das Herzblut des sterbenden Narziß den Boden und die Blütenkelche der Narzissen rotfärbt, so wird man auch als Max Payne von den Farben des Todes umhüllt. Die Dooms, Unreals und Quakes sparen nicht mit Aufwand, um die Spieler mit der Herrlichkeit des postmortalen Farb- und Blutrausches zu beglücken. Spiegelung und Selbstbetrachtung sind in den Spielen als interaktive Operation aufgehoben. In Analogie zur First- und Third-Person-View spricht man daher auch von der Bullet-View als Einswerdung des Spielers mit der Waffe, die ihn tötet. Daß diese Waffe nicht ihn selbst sondern seine Spielerfigur tötet, ist ein formalistisch altmodischer Einwand, den ich bereits früher zu entkräften versuchte. Was würde es wohl auch für einen Sinn machen, dem Leid einer Figur sich anzuschliessen, wenn diese Figur nicht der Spieler selbst wäre.

Spiegel treten aber auch als Dekorationsobjekte, Raumelemente und architektonische Gestaltungsprinzipien auf. Die Warpzones aus Unreal, in denen ich mir als Spieler selbst begegenen kann und die CameraClients aus UT2003 strukturieren den Raum als manieristischen, in sich gekehrten, selbstreferenziellen Spiegelraum, in dem ich implosiv in mich selbst zurückstürzen kann. Es scheinen die Innenräume der Psyche und der Identitäten und zu sein, die gegenwärtig stärkeren Reiz auf die Spielewelt ausüben als die extraterrestrischen Kolonien der 80er Jahre.

Die Spiegel-Räume der Spiele sind Gameplay gewordener Abdruck einer Idee. Der französische Autor Jaques Rigaut (1899-1929) bezeichnet den Typus von Gegenständen, deren einziger Zweck die Spiegelung ist, als Spiegel-Dinge:

"Die Spiegel-Dinge sind Modelle eines Types von Schönheit, den wir als Eleganz bezeichnen. Spiegel-Dinge eignen eine völlig vom Individuum unabhängige Perfektion. Spiegel-Dinge sind nicht von der Natur vorgegeben sondern vielmehr ein Produkt der Anhängerschaft an das Äußere - an das nämlich, was vor dem Spiegel auftritt. Die Zustimmung zu dieser bedingungslosen Anhängerschaft an das Äußere, verwandelt die externe Realität in ein essentiell anderes und elegantes Etwas, in eine leuchtende und einzigartige Schönheit."

Ultra-Dandyismus

Perniola schlägt vor, diesen Standpunkt als "Ultra-Dandyismus" zu benennen und charakterisiert die Haltung Rigauts als Herausforderung an die Welt, jedes Ding und jedes Ereignis in Schönheit umzuwandeln und zwar in perfekte Schönheit, die aus infiniter Mimesis entsteht.

Man mag die Raumobjekte der neuen Spiele als Spiegel-Dinge bezeichnen und sie in ihrer mimetischen Perfektion den kalten Simulationen von Architektur, Körper und Physik gegenüberstellen, die uns in der vergangenen Dekade so sehr begeistert hat. Es mag sein, daß der Grund für die Suche nach den Spiegelbildern einer Desillusionierung mit der ungespiegelten, konstruierten Realität entspringt. Es mag sein, daß wir die selbstfabrizierte Wirklichkeit nicht als ausreichend elegant und schön betrachten, und wir deshalb nach den Spiegelungen und dem Blick nach Innen suchen - sogar in den Spielen.

Man könnte auch zynisch behaupten, daß die stets nach Neuerungen gierige Industrie uns den Spiegel als zeitgeschmäcklerische Form des Fernglases vorhält. Dann müßte man aber im Hinblick auf jene Technologie wohl Hegel beipflichten, wenn dieser sagt: "Das Technische findet sich ein, wenn das Bedürfnis vorhanden ist."