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s t i l l a l i v e

HD Video, 2:58, Stereo Sound. 2022, after John Carpenter's They Live


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Die Videoarbeit stillalive ist eine Auftragsarbeit für das Kunsthaus Graz und die Ausstellung „Faking the Real“. Es ging darum, einen bestimmten, dreiminütigen Ausschnitt aus dem Film „They Live“ von John Carpenter künstlerisch zu bearbeiten. Dieser Zugang entspricht meiner Arbeitsweise. In meinen Videoarbeiten verwende ich oft Filmzitate als Ausgangsmaterial, die ich durch Schnitt, Loops, Effekte, usw. modifiziere.

Obwohl der Film 1988 produziert wurde, wirkt er in seinem ästhetischen Erscheinungsbild eher als wäre er den 1970er Jahren entsprungen. Der Film kritisiert die Kommerzialisierung und den Konsum in den USA der 1980er Jahre, und damit die Zeit der neoliberalen Wende unter der Präsidentschaft Ronald Reagans. Für die Bevölkerung unsichtbar herrschen in Carpenters Film Außerirdische über Medienkonzerne und manipulieren die Menschheit durch versteckte Botschaften wie „Arbeite! Denk nicht! Konsumiere! Gehorche!“

Es ging mir darum, diese Filmsequenz in die Gegenwart überzuführen. Denn der kritische Blick, den der Film auf die Gesellschaft wirft, hat an Aktualität nicht eingebüßt. Es sind nur die Methoden und die Technologien der Ausbeutung und Machtkonzentration granularer und subtiler geworden. Heute zerlegen, beschreiben, interpretieren und analysieren uns Algorithmen und künstliche Intelligenz. Die technischen Mittel sind so weit entwickelt und einsatzbereit, dass wir auf Schritt und Tritt beobachtet und erkannt werden können. Wir leben in einer digitalen Totalisierung, die demokratische Grundlagen aushöhlt. Für Sicherheitsversprechen geben viele Privatsphäre und Datenschutz auf. Die Manipulation erfolgt durch Angstmache. So wird unser Einverständnis erzwungen, Millionen von Kameras im öffentlichen Raum zu akzeptieren, die an Gesichtserkennungssysteme gekoppelt sind. Rassismus und Ungleichheit nehmen zu, denn die Systeme sind unfair und zeigen Bias-Effekte – Vorurteile und Voreingenommenheit sind systemisch in KI und Algorithmen eingeschrieben. Eine Kollaboration zwischen Autokraten/Diktatoren und Tech-Oligarchen gefährden Demokratie und Menschenrechte. Sebastian Kurz wurde von Peter Thiel angeheuert, um seine politischen Beziehungen insbesondere in Osteuropa einzubringen. Thiel steht für eine anarcho-kapitalistische Ideologie, die die Demokratie aushebeln will. China ist da schon weiter, es kann als erste datengetriebene Diktatur bezeichnet werden. Sein digitales Sozialkredit-System soll über die digitale Seidenstraße hinweg exportiert werden. Viele Länder sind daran interessiert, darunter auch Frankreich und Polen. Und in den USA träumt Elon Mask von einer einzigen App, die alle Funktionen vereint, was im Hintergrund seines Interesses an Twitter steht. Damit würde er eine Kontrolle und Machtsphäre erreichen, die sogar jene Chinas in der Hinsicht übertreffen würde, dass seine „Kunden“ und „User“ global verteilt sind, also überall außer hinter der „Great Firewall“ Chinas. Die Systemkonkurrenz, die sich daraus ergeben würde, wäre zwischen einem kapitalistischen System, das auf der Pervertierung des Privateigentums basiert, und einem, das auf der Pervertierung des Kommunismus als Staatskapitalismus ohne Schranken agiert. Und was die „Außerirdischen“ betrifft, sie werden uns wohl eher nicht aus entfernten Galaxien heimsuchen, aber möglichweise bald aus unserem eigenen Sonnensystem: sie sind schon am Weg zum Mars. Anstatt die Bedingungen und Verhältnisse auf der Erde zu verbessern, geht es ihnen um Kontrolle aus dem Erdorbit und Ausbeutung anderer Planeten.

Man könnte das Ganze als einen wahrhaft kosmischen „Deep Fake“ bezeichnen. Vor allem wenn man sich klarmacht, dass hier mikro- und makrokosmisches manipuliert wird. Die Welt wird, sozusagen, psycho-technisch von Innen heraus manipuliert. Daher verwende ich „Deep Fake“-Technik und Artifical Intelligence, um eine Manipulation herzustellen, die nicht verdeckt, sondern sichtbar macht. Wenn man so will, arbeite ich mit „Ästhetika“ anstatt mit Anästhetika, also mit der Herstellung von Wahrnehmung anstatt der Narkose und Vernebelung, die uns heute ständig den Blick verdunkelt. In diesem Sinne ist auch die Verpixelung der „Real-Welt“-Darstellung eine Metapher auf die Digitalisierung der Welt, deren technische Auflösung zwar immer größer wird, durch die wir aber dennoch immer weniger sehen und damit wissen können. Die sich also als sinnvolle und sinnstiftende Umwelt auflöst.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Begriffen, die ich verwendet habe. Die Begriffe, die in Carpenters Film vorkommen, wie „Work! Don’t Think! Consume! Obey!“ habe ich teilweise geändert und ergänzt durch Begriffe, die unsere heutige Zeit stärker betreffen. Im Gegensatz zu den 1980er Jahren, als Repräsentation noch nicht von performativen Modi und gamifizierten Handlungsformen ersetzt war, gilt es heute neue Rollen zu erfüllen: Compete!, Speculate!, Believe!, Influence!, Self-Improve!, Capitalize!, Expose and Share! und Perform – Erbringe deine Leistung! sind die Botschaften, die wir, ohne sie zu hinterfragen, befolgen sollen. Es ist ja alles nur ein Spiel.


Ausstellung: FAKING THE REAL The Art of Enticement 22.09.2022-08.01.202, Kunsthaus Graz.